Hetze, Zeitdruck, das Geheimnis der Grauen Herren und ein Experiment
Kennst du jemanden, der ein ganz „normales“ Leben führt, der trotzdem ruhig und in Frieden mit sich und der Welt ist und immer Zeit für einen kleinen Plausch hat? Ich kenne mittlerweile niemanden mehr. Alle „modernen“ Menschen im Arbeitsleben rasen und hetzen durch den Alltag, den Blick fest auf das Wochenende gerichtet.
Ich möchte mich heute einmal mit dem Zeitdruck beschäftigen, meiner Meinung nach d a s Phänomen der heutigen Zeit, denn je mehr wir hetzen und rennen, desto weniger Zeit haben wir. Unsere Leben werden immer freudloser und grauer. Genau so wie Michael Ende es in seinem wundervollen Buch „MOMO“ geschrieben hat.
Da gibt es die Grauen Herren, die die Menschen durch hinterlistige Einflüsterungen dazu bringen, Zeit zu sparen. Die Menschen glauben, die durch immer schnelleres Tun eingesparte Zeit wandert auf ein Zeitkonto und steht dann in der Zukunft zur Verfügung, was natürlich eine Lüge ist. So rennen sie immer mehr und haben keine Zeit mehr für sich selbst, ihre Familie, ihre Freunde oder dafür, irgendetwas Schönes zu erleben. Nur ein kleines Mädchen, Momo, macht bei dem Spiel nicht mit, denn sie hat keinerlei Bedürfnisse, die die Grauen Herren benutzen könnten, um sie zu manipulieren. Sie ist also quasi die Beobachterin, die dem Leser eine Sicht auf die Tatsachen gewährt. Und sie findet auch den Ausweg aus der verfahrenen Situation und kann so ihre Freunde und die Menschen vor den Grauen Herren retten.
Wie ist denn das nun bei uns? Bedürfnisse haben wir viele und jeden Tag werden neue geschaffen, was uns zu leicht manipulierbaren Menschen macht. Wir erleben täglich, wie wir durch die Medien manipuliert werden, Dinge zu kaufen, die wir nicht brauchen. Und wir machen mit, fallen immer wieder (oft wider besseren Wissens) darauf herein, dass dieses oder jenes Produkt uns endlich glücklicher, besser, schöner, begehrenswerter, smarter, erfolgreicher……. macht. Und kaufen.
Wir fangen also an, viel zu arbeiten, um möglichst viel Geld zu verdienen, um möglichst viel konsumieren zu können. Dann arbeiten wir mehr. Eine Familie kommt hinzu, vielleicht ein Hausbau oder ein Wohnungskauf, Bedürfnisse steigen, mehr Geld muss herangeschafft werden, wir arbeiten immer mehr, immer härter. Alle anderen tun das auch. Der Konkurrenzdruck steigt. Der innerbetriebliche Druck steigt, es wird vom Einzelnen immer mehr gefordert……
Hier kommt eine weitere Komponente hinzu: die Angst, nicht zu genügen, zu versagen, nicht gut genug zu sein. Praktisch jeder von uns hat diese Angst in seiner frühesten Kindheit in sich aufgesogen und nun ist sie so sehr Teil unserer (kollektiven und persönlichen) Energie geworden, dass wir uns ihrer kaum mehr bewusst sind.
Längst haben wir den Kontakt zu unserer Mitte verloren, können die leise Stimme unseres Herzen nicht mehr hören. Nur noch das ständige Geschrei nach mehr, mehr und immer mehr! Irgendwann können wir dann nicht mehr, was die unglaubliche Anzahl an Menschen die an Depressionen, Angststörungen oder Burn-out leiden offensichtlich macht. Die Grauen Herren reiben sich die Hände,
Wie könnte denn nun eine Lösung aussehen? Welcher Weg führt uns aus unserem Dilemma?
Bei Momo ist es langsam und rückwärts zu gehen.
Ähm, waaas???? Das wäre ja das genaue Gegenteil von dem, was wir aktuell machen! Wäre das eventuell möglich, so absurd es sich auch anhört? Wie könnte das denn aussehen?
Rückwärts gehen könnte beispielsweise bedeuten, unsere materiellen Ansprüche herunter zu schrauben. Früher oder später kommt ja eh der Punkt, wo wir nicht mehr mithalten können – warum also nicht bewusst aus diesem verrückten Spiel nach immer mehr aussteigen? Wenn du dich selbst und freiwillig dazu entscheidest, tut es viel weniger weh! 😉
Rückwärts gehen könnte bedeuten, nicht mehr gedankenlos all den Medienmüll zu konsumieren, der uns so vorgesetzt wird.
Rückwärts gehen könnte bedeuten, wieder mehr in der realen und weniger in der virtuellen Welt zu agieren.
Ja und langsam könnte bedeuten, einfach mal nicht multitasking zu arbeiten, sondern seine Aufgaben konzentriert und fokussiert hintereinander weg zu erledigen.
Langsam könnte auch sein, einmal gemütlich spazieren zu gehen und die Natur zu geniessen, anstatt auf dem Laufband seine Kalorien abzustrampeln.
Langsam könnte sein, einmal in Ruhe ein schönes Buch zu lesen, anstatt beim Autofahren nebenher ein Hörbuch zu konsumieren.
Experiment: Ich möchte dich einladen, einmal einen Tag lang nicht modern und hipp zu sein und rumzustressen, sondern – nur so zum Spass – langsam und altmodisch zu sein. Mach dein Handy aus und klapp deinen Laptop zu, lass auch den Fernseher aus. Beschäftige dich einen ganzen Tag lang mit dir, deinem Partner, deiner Familie. Aber keine grossen Sachen (Ganztagesausflüge, Freizeitparks, etc)! Zusammen frühstücken, reden, spazierengehen, Mensch-ärgere-dich-nicht spielen, kuscheln, Tee trinken, schweigen, rumtoben, in der Wanne liegen,…….und am Ende des Tages schaust du mal, wie es dir damit geht. Wie fühlst du dich? Bist du entspannt? Glücklich? Konntest du es „aushalten“, einen ganzen Tag einmal nicht von den Grauen Herren fremdbestimmt und ferngesteuert zu verbringen? Kannst du ein bisschen was davon auf deinen Alltag übertragen?
Ich bin sehr neugierig auf deine Erfahrungen. Bitte hinterlasse mir in den Kommentaren, was du gemacht oder gelassen hast und wie es dir damit ging.
Geniesse deinen Tag!
Deine Nicole
Buchtipp: „MOMO“ von Michael Ende, zum Beispiel hier kaufen…