„Honig im Kopf“
Gestern war ich mit ein paar Freunden in Til Schweiger’s „Honig im Kopf“. Dieser Film ist meiner Meinung nach absolut sehenswert – sehr authentisch, hervorragend gespielt und in Szene gesetzt, tief berührend ohne jedoch pathetisch zu werden. Mit Sicherheit eine Glanzleistung des deutschen Films!
„Honig im Kopf“ beleuchtet ein noch immer weitgehend tabuisiertes Thema: Alzheimer
Die Lebensmittel im Bücherregal, Schuhe im Kühlschrank, eine Vermisstenanzeige für die schon vor Jahren verstorbene Ehefrau…..Niko (Til Schweiger) muss sich eingestehen, dass sein Vater Amandus langsam ein bisschen vergesslich und schusselig wird. So wird beschlossen, dass Amandus in Zukunft bei ihm und seiner Familie wohnen soll – sehr zum Entzücken der elfjährigen Tilda, die ihren Opa von Herzen liebt.
Das Zusammenleben mit dem schusseligen Opa (hervorragend gespielt von Didi Hallervorden) bedeutet vor allem für Tildas Mutter eine grosse Herausforderung. Er fügt sich einfach überhaupt nicht in das gut durchorganisierte Familienleben ein und bringt so alles durcheinander. Tilda aber hält die besondere Verbindung zu ihrem Opa und geht liebevoll und offen mit ihm um.
Nachdem Amandus die lang geplante Gartenparty crasht, vergisst Tilda von der Schule abzuholen und nebenbei noch fast das Haus abfackelt kommt es zum Eklat und Nikos Frau fordert seine Einweisung in ein Pflegeheim.
Tilda bekommt das mit und beschliesst, mit ihrem Opa nach Venedig zu fahren, wo er damals seiner geliebten Margarethe einen Heiratsantrag gemacht hatte. Die Beiden büchsen aus und eine skurrile Reise beginnt.
Schweiger hat es mit diesem Film geschafft, ein tief berührendes Bild zu malen, indem er gekonnt zwischen Betroffenheit, Mitgefühl, Witz, Erkennen, Lachen und Weinen hin und her pendelt.
Auf der einen Seite Armandus, der selbst durchaus mitbekommt, dass sein Verstand nicht mehr so ganz mitmacht, der bewusst erlebt, dass er immer mehr vergisst, alltägliche Dinge nicht mehr hinbekommt, Aussagen komplett falsch versteht und seine Mitmenschen manchmal verrückt macht. Hallervorden spielt grandios Armandos kindlich-unschuldiges Verhalten in Kombination mit Desorientheit, Fremdsteuerung und Momenten der Verzweiflunng. Er beschreibt es als ein Gefühl wie „Honig im Kopf“ zu haben.
Tilda versucht zu verstehen, was mit ihrem Opa geschieht und findet Hilfe bei ihrem Kinderarzt, der ihr einfühlsam erklärt, was Alzheimer ist und was dabei geschieht.
Emma Schweiger (grossartig!) spielt die Enkelin Tilda mit grosser Autentizität und Hingabe. Man erkennt deutlich Tildas Wunsch, dem Opa zu helfen, ihre Belustigung, wenn er wieder irgendwelchen Quatsch macht und auch ihren Schmerz. Sie ist ein leuchtendes Beispiel, wie unaufgeregt, normal und liebevoll der Umgang mit Alten, Kranken, Behinderten sein kann.
Dann sind da noch Niko und seine Frau, die gekonnt die verschiedenen Phasen während des Verlaufes in Szene setzen: zu Beginn das Verdrängen und Nicht-Wahrhaben-Wollen; dann die Erkenntnis und das Ringen um eine „vernünftige“ Lösung; gefolgt von all den grossen und kleinen Ausrutschern und Katastrophen, die plötzlich Alltag sind und schon auch mal Ärger und Wut verursachen; bis hin zu dem Schmerz und der Verzweiflung, dem plötzlichen Erkennen, wie sehr man denjenigen doch liebt und der Ohnmacht, nichts tun zu können – Gefühle, die sowohl der Erkrankte, als auch sein Umfeld durchleben.
Schweiger selbst versteht seinen Film hauptsächlich als Unterhaltung, aber selbstverständlich ist die enthaltene Botschaft gewollt und bewusst so eingebaut worden: hin zu liebevollerem Umgang miteinander – hin zu mehr Toleranz gegenüber Menschen, auch wenn sie anders sind – hin zu mehr Offenheit im Umgang mit Alter, Krankheit und Tod – hin zu mehr Achtsamkeit, mehr Aufmerksamkeit – hin zu mehr Zeit miteinander verbringen – hin zu mehr Wertschätzung – hin zu mehr Liebe.
Ein Film für die ganze Familie, der berührt und zum Nachdenken anregt.
Danke Til Schweiger und Team für diesen wundervollen Film.
Ich hoffe, Sie werden auch in Zukunft schöne Filme mit grandiosen Kollegen, mit tollen Bildern, einem klasse Soundtrack und einer wertvollen Aussage schaffen!