Sydney, die Grosse

24. November 2016 8 Von Nicole

Der Flieger scheint still zu stehen über diesem riesigen Lichtermeer unter mir. Die Stadt erscheint mir unheimlich weit ausgedehnt, Millionen funkelnder Sterne über und unter mir und dann am Rand die totale Schwärze, als sei die Welt dort zu Ende. Sydney strahlt mir entgegen und ich nehme es als freundliche Begrüssung und strahle voller Vorfreude zurück.

Die Einreiseformalitäten sind rasch erledigt, mein vorher online erhaltenes Visum für gültig befunden und ich bekomme den ersten Stempel in meinen brandneuen Pass! 😀

Weil es so schön praktisch ist hole ich mir wieder direkt am Flughafen eine Sim-Karte und tausche Geld um. Dann schultere ich mein Gepäck und suche den Taxistand, denn laut meinem Gastgeber ist dies die beste Möglichkeit, meine vorübergehende Heimstatt zu finden. Na denn….. Der Taxifahrer weiss auch tatsächlich gleich wohin ich will und braucht nur für die exakte Strasse sein Navi. Die Fahrt ist relativ kurz, vielleicht 15 Minuten und ich bin ein wenig geschockt als er mir dafür 40AUD abknöpft. Welcome down under – hier herrschen andere Preise!

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Aber davon lasse ich mir natürlich meine Urlaubslaune nicht vermiesen, sondern gehe gleich am nächsten Morgen unternehmungslustig auf Erkundungstour. Ich fahre mit dem Bus in die Stadt und bitte den Busfahrer, mir zu sagen wo ich aussteigen soll (im Zentrum). Er schaut ein bisschen komisch, grinst aber dann und sagt ok. (Was soll ich denn auch machen? Ich komme hier völlig unbedarft an, hab keinen Reiseführer gelesen und keine Karte angeschaut! Also mal so was von null Plan!)

Der freundliche Busfahrer vergisst mich auch nicht und so steige ich an der angewiesenen Haltestelle aus, schaue mich um und stehe inmitten von Hochhäusern an einer grossen Strasse. Hmm……und wohin jetzt? Hier laufen ne Menge businessgestylte Leute rum (übrigens, seit wann tragen Männer eigentlich enge Hochwasser-Anzughosen? Und braune Schuhe zu blauem Anzug?? Hab ich da was verpasst????) also scheint das hier wohl der Banken- und Geschäftsbezirk zu sein. Ich wende mich nach links und laufe los und schwups, schon nach wenigen Metern stehe ich am Circular Quai – links die Harbour Bridge und rechts das Opernhaus. Na, wenn das mal nicht klasse ist!

Hier sind natürlich jede Menge Touristen unterwegs und ich stürtze mich ins Getümmel. Und obwohl das Wetter nicht gerade schön ist (grau und grau aber wenigstens trocken) zücke ich meine Kamera und fange an, alles aus allen Blickwinkeln heraus abzulichten. Ich schlendere hierhin und dorthin und versuche, ein Gespür für die Stadt zu kriegen. Erstes Fazit: alles ziemlich relaxt hier! Die Menschen hetzen nicht mit verbissenen Gesichtern durch die Gegend und der Verkehr ist ebenfalls ruhig und überschaubar. Natürlich muss ich immer ein bisschen achten, denn die fahren hier ja auf der „falschen“ Strassenseite

dscn4848Was mich gleich packt ist diese Mischung aus „alt“ und neu, die überall in der Stadt zu finden ist. Es gibt ein paar ältere Gebäude, meist Nachbauten von irgendwelchen wichtigen Häusern in England und direkt daneben steht ein hochmoderner Wolkenkratzer. Ein toller Kontrast und für mich ein schönes Fotomotiv.

 

Als weitere Erkenntnis stelle ich fest, dass die Innenstadt eigentlich gar nicht so gross ist! Man kann hier die Sehenswürdigkeiten praktisch zu Fuss ablaufen, was ich echt super finde. Und wenn man dann doch mal müde (oder faul) ist kann man sehr easy mit der U-Bahn fahren.

dscn4990Als erstes schaue ich mir die Harbour Bridge an, die die Innenstadt – die wird hier CBD genannt, Central Business District- mit den noblen nördlichen Vororten verbindet. Ein ziemlich beeindruckendes Monster aus Stahl, das hier seit 1932 einen grossen Bogen über das Wasser bildet und eines der Wahrzeichen der Stadt ist. Man kann die Brücke auch zu Fuss überqueren und der Blick, der sich hier bietet ist absolut spektakulär!

dscn4838Ganz rechts kann ich das berühmte Viertel „The Rocks“ sehen, ehemals ein übler Slum  für Matrosen und neu ankommende Sträflinge; Kriminalität, Alkohol, Prostitution und Krankheiten bestimmten lange Zeit das Bild. Davon ist heute natürlich nichts mehr zu spüren. In den teilweise noch erhaltenen und schön renovierten alten Gebäuden sind heute schicke Restaurants, Galerien und ein paar Geschäfte untergebracht und hier tummeln sich Tag und Nacht sowohl Touristen, als auch Einheimische.

Mein Blick schweift über den Hafen. Es liegt eigentlich immer irgendein riesiges Kreuzfahrtschiff hier vor Anker, ausserdem wuseln die in der Relation kleinen Fährschiffe hin und her und fahren die Gäste nach Manly, Bondi (das sind die Strandgebiete der Stadt) oder Paramatta. Auf den Quais flanieren die Menschen, hören Strassenmusikern zu, schlecken Eis oder geniessen einfach den Tag. Wo immer es eine kleine grüne Fläche gibt (und davon gibt es viele in dieser Stadt, hier z.B. vor dem Museum für zeitgenössische Kunst) lagern die Menschen, geniessen die Sonnenstrahlen und halten Picknicks ab. Überall gegenwärtige Ibisse versuchen, hier und da etwas abzubekommen. Die meisten Touristen ziehen Tisch und Stühle vor und bevölkern die vielen Restaurants auf der anderen Seite der Quais.

dscn4834Und ganz vorne an der Spitze, da steht es nun: das berühmte „Sydney Opera House“. Jeder hat schon einmal Fotos gesehen von diesem architektonisch einmaligen Bauwerk, aber jetzt hier zu stehen und es im Original zu sehen – boah, das ist schon der Hammer! 😀 😀 Wenn die Sonne scheint, dann scheinen weisse Muschelschalen das Licht zu reflektieren und das unglaublich strahlende Blau des australischen Himmels bildet einen perfekten Kontrast dazu. Tatsächlich wurde allerdings das Weiss des Opernhauses einmal farblich – hm, verändert. 2003 pinselten zwei australische Friedensaktivisten in knallroter Farbe „No War“ ganz oben auf das bis dahin makellose Gebäude, als Protest gegen Bush’s Irakkrieg und die australische Beteiligung daran.

Das ganze Land reagierte – und zwar gespalten. Die eine Hälfe empört über den Akt des puren Vandalismus an einem Wahrzeichen des Landes und die andere Hälfte positiv und unterstützend, denn kaum jemand hier wollte diesen Krieg mitmachen. Die Aktivisten wanderten hinter Gitter und die Stadt hatte eine weitere Geschichte zu erzählen. Augenzwinkern irgendwie inklusive.

Gleich hinter dem Opernhaus beginnt der Botanische Garten, ein riesiger Park, in dem man gut und gerne ein paar Stunden verbringen kann. Neben wunderschönen, teilweise sehr alten Bäumen und allem Sonstigen, was man in einem Park erwartet gibt es hier tagsüber eine Menge Vögel zu beobachten und in der Dämmerung kann man riesigen Fledermäusen bei der Mückenjagd zusehen. Dieser Park, der zum Teil direkt an das Meer grenzt ist meine Rückzugszone in Sydney.

dscn5061dscn5001Das an den Park  angrenzende Mrs. Mcquarie Pier ist ein besonderer Spot, um Opera House und Harbour Bridge auf ein einziges Foto zu bekommen oder die Sonne einmal hinter der Skyline untergehen zu sehen. Wem das nicht reicht, dem sei eine abendliche Fahrt auf der Manly-Fähre empfohlen.

 

 

dscn4972Natürlich gibt es in der Stadt noch jede Menge interessante Sehenswürdigkeiten, wie beispielsweise den Skytower, Sydneys höchstes Gebäude (309m), es ist übrigens gesetzlich verboten, höher zu bauen! Die Aussicht ist in alle Himmelsrichtungen super!

Dann ist da die Town Hall, das Rathaus, vor dem die australische Flagge zusammen mit einer Aborigine-Flagge weht. Das Land bemüht sich, irgendwie die Aboriginekultur zu würdigen und dieser einen Platz zu geben, aber noch ist hier nichts „normalisiert“ und nach wie vor haben die Ureinwohner keinen Platz in der modernen Gesellschaft gefunden. Ähnlich den amerikanischen Ureinwohnern gibt es auch hier sehr viele Alkohol- und Drogenprobleme, sowie Kriminalität. Die Aborigines können sich offensichtlich der modernen Lebensweise nicht anpassen und oft wollen sie das wohl auch nicht. Warum auch? Schliesslich leben sie hier seit Jahrtausenden und haben ihre eigenen Werte und Philosophie, die sich offensichtlich extrem von der westlichen unterscheidet. So ganz viel kann ich noch nicht darüber schreiben, da ich einfach noch zu wenig Informationen habe. Das liegt hauptsächlich wohl auch daran, dass die Ureinwohner hier in der Grossstadt nicht präsent sind und die meisten Leute, die ich hier treffen keinen Aborigine kennen und auch nicht gross etwas über deren Kultur wissen.

Ansonsten ist Sydney eine kunterbunte Völkermischung. Abgesehen davon, dass natürlich alle (weissen) Australier irgendwann einmal Ausländer waren und schon von daher eine Mischung zustande kommt befinden sich heutzutage eine grosse Anzahl an hauptsächlich asiatischen Einwanderern in der Stadt. dscn4821So ist das Strassenbild sehr gemischt und auch das Angebot an Restaurants und Dienstleistern ist gross. Es gibt eine kleine Chinatown mit angrenzenden Strassenzügen, die rein koreanisch, thailändisch, japanisch,……sind, genauso wie viktoriansiche Häuser (z.B. Queen Victoria Building) mit stil- und kunstvoller Dekoration, wo es neben diversen Shops auch die Möglichkeit einer altenglischen Tea Time gibt.

In den weit auseinander gezogenen Aussenbezirken – suburbs genannt – gibt es ebenfalls ein ziemlich buntes Leben. Einzelne Suburbs haben sich als Künstler-, Hippie- oder Schwulenviertel etabliert, andere mehr auf New Age oder Nachtleben spezialisiert. Doch auch in den reinen Wohngebieten gibt es eine Vielzahl an Geschäften, Restaurants, Sport- und Freizeitmöglichkeiten. Und mit dem gut ausgebauten Bus- oder (U-) Bahnnetz ist mal schnell mitten in der Stadt.

Zwei Ergeinisse haben mich hier echt noch besonders beeindruckt. Das eine ist Halloween. img_20161029_152558Eine unglaubliche Vielzahl an Monstern, Hexen und Zombies läuft hier schon beim nachmittäglichen Zombie-Walk durch die Strassen und Parks der Innenstadt. Die Verkleidungen und das Make-up ist teilweise atemberaubend scheusslich – gruselig. Bei Nacht möchte ich mir das vielleicht eher nicht antun……

Das andere beeindruckende Ereignis ist der Melbourne-Cup. Das ist ein internationales und sehr wichtiges Pferderennen, das in Melbourne stattfindet und den dortigen Arbeitnehmern sogar einen extra freien Tag beschert.. Ja, und? Was hat das mit Sydney zu tun? Die beiden Städte Melbourne, die Kulturelle und Sidney, die Grosse stehen in einem ständigen Wettbewerb um den Titel „beste Stadt“ (daraus ging übrigens als glückliche Dritte das relativ unscheinbare Canberra als Hauptstadt hervor) und so müssen die Sydneyer irgendwie auch was Besonderes an diesem Tag machen. Es takeln sich also alle auf wie die Pfingstochsen und gehen in Cocktailkleid, High heels und Hütchen, die Männer im schicken Anzug zur Arbeit. Alle Companies in CBD laden ihre Mitarbeiter zum Mittagessen ein und dabei fliesst der Alkohol in Strömen. Die ganze Stadt ist in Partylaune, die Restaurants und Bars quellen über vor Gästen und es herrscht eine überaus fröhliche Stimmung. (Wer einen schnellen Dollar cash verdienen möchte und ein Tablett tragen kann – heute ist der Tag!) Um 15.oo h startet das Rennen, das in jeder Bar, in jedem Restaurant und auf den Plätzen per public viewing übertragen wird. Da praktisch alle Leute vorher gewettet haben – es gibt extra mobile Wettschalter überall in der Stadt – wird dem Ausgang dieses Rennens mit grosser Spannung entgegen gefiebert. Hinterher müssen zwar theoretisch alle wieder an die Arbeit gehen, doch etwas Effektives kommt da wohl kaum mehr heraus. Eher wird der Sieg gefeiert oder die Niederlage ersäuft, je nach dem.

Alles in allem finde ich kommt Sydney sehr sympatisch daher, locker, leger, ziemlich bodenständig mit einer kleinen Prise Selbstironie – alles nicht so ernst nehmen, scheint hier das Motto zu sein. Ich fühle mich hier richtig wohl und freue mich schon, Ende Januar noch einmal kurz hier zu sein.

Aber jetzt geht es erst einmal weiter zu meinem nächsten Abenteuer, den Blue Mountains!